5. Jahrestag Corona - Lock Down
- Martin Erb
- 22. März
- 6 Min. Lesezeit
Ein persönlicher Rückblick

Die Welt dreht sich weiter - das was uns gestern noch so wichtig erschien, verblasst schnell im Nebel der Erinnerungen.
Eine Krise folgt der anderen – manchmal überschneiden sie sich sogar. Wir befinden uns im reaktiven Modus und im permanenten Alarmismus. Manchen drohen schon die Superlativen auszugehen, um für einzelne Ereignisse noch die gewünschte Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Heute vor 5 Jahren war so ein Tag. Die Bund-Länder-Runde (ein Gremium, das gemäss unserer Verfassung gar nicht gibt und die Rechte der Parlamente infrage gestellt hat – aber das ist ein anderes Thema) beschloss den ersten Lockdown für das ganze Land.
Die konkrete Umsetzung überlies man den Bundesländern. Der Föderalismus zeigte sich von seiner eher unbrauchbaren Seite. Ein Regelungschaos war die Folge. Was in einem Bundesland gerade noch ok erschien, ging bei den Nachbarn schon gar nicht mehr.
In Bayern wurde zeitweise sogar das Lesen eines Buchs auf einer Parkbank verboten – dann mit dem Segen von „Markus dem Grossen“ wieder erlaubt - aber bitte nur allein und immer schön Abstand halten und Maske tragen.

Ich selbst habe diese Wochen und Monate in der Schweiz ver- und erlebt. Ich arbeitete seit 2013 für einen deutschen Konzern dort und wohnte in der Nähe von Zürich.

Ordentlich wie deutsche Konzerne eben sind, hatten wir am Standort mit drei verschiedenen Konzerngesell-schaften in einem Gebäude eine Krisenorganisation. Ein Kernteam und einen erweiterten Kreis mit allen Geschäftsleistungsmitgliedern, um Entscheidungen zu treffen, die für alle Mitarbeitenden gleichermaßen gelten sollten.
Das Kernteam koordinierte sich permanent mit der Konzernzentrale, um Massnahmen abzustimmen.
Neben sehr nützliches Themen – wie z.B. das Organisieren von Remote-Arbeit für alle und einen vor Ort – Notdienst, wurden in den Sitzungen (anfangs mehrfach wöchentlich – die Regelungslage änderte sich im Detail fast täglich) auch allerlei skurrile Dinge besprochen (das ist meine Sicht, die sich häufig vom „normalen“ Konzernführungskräften unterschied).

Mir erging es nach einigen Wochen ähnlich wie Herrn Ramelow (ehemaliger Ministerpräsident von Thüringen) der zugab, während der Krisensitzungen auch schon mal Candy Crush gespielt zu haben, weil er anders die Langeweile nicht überbrücken konnte.
Ich habe häufig E-Mails bearbeitet, wenn einige der Kolleginnen (es waren tatsächlich mehrheitlich -innen) zu äußerst langatmigen Ausführungen – meist im Konjunktiv – ausholten – und viel gesprochen aber wenig gesagt wurde.
Spannend wurde es dann im 2. Jahr, nachdem Impfstoffe verfügbar waren und eine Diskussion darüber aufkam, wie man mit Mitarbeitenden umgehen sollte, die nicht geimpft sind.
Recht schnell zeichnete sich eine Mehrheit im Gremium ab, die dafür plädierten, Nicht-Geimpften den Zutritt zu den Firmengebäuden zu verwehren und sie ausschliesslich remote arbeiten zu lassen. Als man kurz davor war, über diese Idee abstimmen zu lassen, ergriff ich das Wort.
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte euch vorsorglich darüber informieren, dass ich nicht geimpft bin und auch nicht vorhabe mich impfen zu lassen. Aber selbstverständlich werde ich ein mehrheitlich beschlossenes Betretungsverbot respektieren und von zuhause aus weiterarbeiten. Für erforderliche Unterschriften kann ein Kurier mir die Unterlagen nach Hause bringen.“
Kollektiven Schweigen…
Dann eine vorsichtige Nachfrage, warum ich mich nicht impfen lassen wolle.
Antwort: „Für mich ist das eine Risikoabwägung. Ich bin bisher – trotz geringer Vorsichtsmaßnahmen meinerseits - nicht erkrankt. Trotz meines fortgeschrittenen Alters (Mitte 50) fühle ich mich nicht besonders gefährdet. Ein Impfstoff, der innerhalb so kurzer Zeit entwickelt worden ist und kaum getestet werden konnte, stellt für mich ein mindestens ebenso grosses Risiko dar – wenn nicht gar ein grösseres. Die Wirkung der Impfstoffe scheint darüber hinaus ohnehin sehr beschränkt zu sein, da ich in meinem privaten Umfeld mehrere Personen kenne, die geimpft sind und dennoch erkrankt sind.“
Die Entscheidung wurde vertagt – das Betretungsverbot für Ungeimpfte nie umgesetzt. Dazu beigetragen hat sich auch der deutlich liberalere Umgang der Schweiz mit der Pandemie im Vergleich zu Deutschland.
Zwar hat man sich im Frühjahr 2020 (16. März) für einen Lockdown entschieden, aber bereits im April wurde bereits eine schrittweise Lockerung bekanntgegeben und Mitte Mai durften Läden, Restaurants, Märkte und Museen wieder öffnen.
Die Massnahmen wurden im Verlauf der folgenden 2 Jahre zwar kurzzeitig auch wieder verschärft – zu einem pauschalen Lockdown ist es aber nicht mehr gekommen.
Dazu beigetragen hat sicher auch das Instrument des Volksabstimmung, das es Gegner der Regierungspolitik jederzeit ermöglicht, bei einer entsprechenden Anzahl an Unterstützern eine Abstimmung über konkrete Vorlagen zu erzwingen. Allein diese Instrument motiviert die Regierenden dazu, sich differenzierter mit abweichenden Meinungen auseinanderzusetzen und führte letztlich auch dazu, dass die Schweiz wesentlich differenzierter die Freiheiten der Bürger eingeschränkt hat, als das in Deutschland der Fall war.
Im Nachhinein ist man schlauer!
Was ist nun 5 Jahre nach dem ersten Lockdown aus den grossen Aufreger Themen geworden?
#1 Vom Wochenmarkt oder aus dem Labor?
Noch immer gibt es dazu keinen Konsens. Gerade in den letzten Wochen mehren sich aber die Meldungen, die den Ursprung des Virus in einem der vielen Labore in Wuhan vermuten.
Beweise wurde bisher nicht vorgelegt. Das gilt aber auch für die Theorie, dass es sich um eine Mutation von Fledermäusen oder ähnlich exotischen Angeboten von den Märkten in Wuhan handelt.
Nur beim Ort ist man sich sehr einig: Wuhan
#2 Nützlichkeit der Impfungen
Dass die Qualität und Wirkung der genutzten Impfstoffe sehr unterschiedlich waren, ist unstrittig. Heute weiß man, dass selbst die besten Impfstoffe nicht vor der Infektion selbst schützen und auch nicht verhindern, dass Geimpfte die Infektion weitergeben.
Bei dem Ausmaß der Nebenwirkungen bleibt man eher schmallippig und verweist auf schlechte Datenlagen.
„Pandemie der Ungeimpften“
Dieses von einigen Politikern verbreitete Narrativ, das massiv zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen und auch den Umgang miteinander auf das Niveau der Neandertaler zurückgeworfen hat, gilt eindeutig als widerlegt. Innerhalb des RKI (Robert-Koch-Instituts) war man sich darüber wohl auch 2021 schon bewusst – wollte aber prominenten Politikern nicht öffentlich widersprechen.
#3 Besuchsverbote in Pflegeheimen und Krankenhäusern
Das gilt heute einhellig als Tiefpunkt der Mitmenschlichkeit und hatte für das Infektionsgeschehen so gut wie keinen Effekt.
#4 Die Impfpflicht
Zu einer allgemeinen Impfpflicht ist es nie gekommen. Berufsbezogene Impfpflichten sind aber sehr wohl verhängt worden. Wissend um die eingeschränkte Wirkung der vorhandenen Impfstoffe hielt ich es damals und halte es heute noch viel mehr als unzulässige Übergriffigkeit des Staates.
#5 Der Umgang mit den Kindern
In der öffentlichen Diskussion wurden die Kinder nicht selten als die Sensenmänner ihrer Großeltern verunglimpft. Schulen, Kindergärten und Kitas als Brutstätten der Infektion und die Büchsen der Pandora geschlossen.
Die Studienlage heute zeigt, dass dies eine folgenschwere Fehleinschätzung war und als einer der größten Fehler der Pandemiebekämpfung gewertet werden muss.
#6 Die Maskenpflicht
Neben der Tatsache, dass einige ihre Gier nicht widerstehen konnten und sich schamlos bereichert haben darf man festhalten: Geschadet haben sie nicht – wirklich viel gebracht aber auch nicht. Das lag aber nicht an der Maskenpflicht selbst sondern an der unzulänglichen Umsetzung. Die Qualität und Tauglichkeit der Masken gepaart mit der schlampigen Handhabung verleiht der Maske wohl den Status des überschätzen Mittels zur Pandemiebekämpfung.
#7 Die Ausgangsbeschränkungen
Eine allgemeine Ausgangssperre oder massive Beschränkungen selbst zeigen kaum Wirkung. Wichtiger sind die Kontaktbeschränkungen im nahen Umfeld (zuhause, Beruf, Schule).
#8 Strenges Notfall – Regime oder Eigenverantwortung
Oder: Deutschland vs. Schweden
Rückblickend kann wohl mit gutem Gewissen gesagt werden, dass beide Wege gangbar und der deutsche Weg keinesfalls „alternativlos“ waren.
Eine unmittelbare Korrelation zwischen Strenge der Massnahmen und Anzahl der Toten lässt sich jedenfalls länderübergreifend nicht belegen.
Wie es uns ergangen wäre, hätten wir den schwedischen Weg eingeschlagen, kann niemand mit Gewissheit sagen. Einen 2. Versuch wird sich sicher niemand wünschen, um es herauszufinden.
9# Booster – Impfungen
Man konnte gelegentlich den Eindruck haben, dass einige Regierungsvertreter einen Vertrag mit den Impfstoffherstellern haben, so sehr haben sie für die 2., 3. und wievielte auch immer Impfung geworben.
So richtig einig ist man sich noch nicht. Es scheint sich aber die Meinung durchzusetzen, dass es bestenfalls für Hochrisiko-Gruppen hilfreich war (und natürlich für die Impfstoffhersteller).
10# Die Aufarbeitung
Eigentlich sollte man vermuten, dass es über alle gesellschaftlichen Gruppen hinweg ein hohes Interesse geben sollte, Erkenntnisse aus der Pandemie für zukünftige Ereignisse zu gewinnen, neue Erkenntnisse sachlich zu teilen und ergriffene Massnahmen ergebnisoffen zu bewerten.
Stattdessen streitet man sich zwischen den politischen Parteien über das Format, in dem diese Nachbetrachtung stattfinden soll. Es beschleicht einem das Gefühl, so richtig „Bock“ hat kaum jemand darauf. Bleibt zu hoffen, dass wenigsten hinter den Kulissen bei den Spezialisten entsprechende Analysen angestrengt werden, um für zukünftige Fälle besser gerüstet zu sein.
Mein persönliches Fazit
Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer?

Es ist....
Im internationalen Vergleich haben wir uns wacker geschlagen. Hat mich das Krisenmanagement überzeugt?
Ganz klar! Nein!
Möchte ich mir vorstellen, was wohl geschehen wäre, wenn es sich um ein wesentlich aggressiveres Virus gehandelt hätte?
Auf gar keinen Fall.
Bin ich mit der Nachbearbeitung zufrieden?
Leider nein.
Manchmal bekommt die Vorstellung, dass eine KI solche Krisen managt, einen gewissen Charme.
Oder es mit Karl Popper zu sagen:
„Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative!“
In diesem Sinne....

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